Feschn Sommergespräch 8: Susanne Bisovsky
Ansichten von spannenden Persönlichkeiten aus der Szene
Susanne Bisovsky
Die bodenlangen Vorhänge sind rosa-weiß großkariert, das Tablett mit Rosenmuster ist ein Sammlerstück, all das Geschirr und die Kaffeehäferl sowieso, der Tisch ein Fundstück, ebenfalls mit Rosen, die sich darauf ranken, die Wände sind über und über dekoriert mit Heiligenbildern und Metalldosen zwischen Kitsch und Style, das Vintage-Sofa und die Kissen im Eck fügen sich ganz natürlich ein – wenn ich mit Susanne Bisovsky einen Kaffee- und Kuchen-Klatsch in ihrer Salon-Küche mache, dann bin ich jedes Mal wieder aufs Neue entzückt von all dem Muster-Mix und Rosen-Kult, der mich anderswo wohl irritieren würde.
Aber wenn man in die Welt von Bisovsky eintaucht, dann ist das gar so zauberhaft und auf eine extrem künstlerische Weise bodenständig und sympathisch, dass man verliebt ist.
In Susannes Wesen sowieso – weil sie einfach so viel auf dem Kasten hat und dann auch noch so normal wie ungewöhnlich ist. Die von ihr kreierten Kleidungsstücke sind in diesem Sinne ihr Beitrag zur Verschönerung des Alltags. Ein Segen!
Susanne Bisovsky, österreichische Avantgarde-Künstlerin und Vorzeige-Designerin
Diese 3 Begriffe beschreiben meine Kreationen am besten:
Zeitlos. Ich nehme keine Rücksicht auf die Zeit, die Zeit gesellt sich dazu, ist aber immer nur ein Ausgangspunkt. Das, was mich interessiert, das mach ich. Ich kriege höchstens von der Straße mit, was passiert, aber ich richte mich nicht nach irgendwelchen Modeepochen.
Die Musterung. Meistens eine schwarze Fläche mit einem kleinen Muster drauf. Das ist die zweite wichtige Komponente.
Und das Überschichten von Materialien, so lang bis es für mich ein Ganzes ergibt.
Gut angezogen ist man für mich, wenn…
… die Person sich nicht verbiegt um sich anzuziehen. Das muss immer selbstverständlich am Körper ausschauen. Und dann könnte man da immer noch eine Prise draufgeben, damit man sich nicht zu sehr in der Wohlfühlzone befindet. Man kann sich ruhig einen Hauch mehr trauen.
Mein liebstes Vorurteil gegenüber Tracht und meine Richtigstellung:
Blumerl auf einem Stoff ist nicht gleich Tracht. Das ist das größte Missverständnis, da verwechseln die Leute Folklore mit Tracht. Die zwei Begriffe können sich finden, sind aber nicht unbedingt Schwestern, das sind unterschiedliche Bereiche. Und dass Tracht nur Dirndl und Lederhose ist.
Der wichtigste Teil eines Outfits:
Der Brustbereich ist für mich der wichtigste Teil, weil sich bei meiner Arbeit alles von dort aus entwickelt – runter und rauf. Und in zweiter Instanz ist es die Kopfbedeckung. Wenn das einmal definiert ist, dann ist für mich alles klar an einem Outfit.
Lieber over- oder underdressed?
In Österreich würd‘ ich sagen lieber overdressed, weil’s einfach mehr Spaß macht. Es rennen nur die underdressten Leut‘ herum und da sind wir doch lieber die, die vollkommen rausstechen, weil’s einmal so angenehm ist was zu sehen, was wie ein Paradiesvogel daherkommt statt diese ewige graue Masse.
Sticht mit Sicherheit hervor: Der All-Over-Look in Bisovsky. Fotografiert in ihrem Salon in Wien.
Was können Frauen in Sachen Stil von Männern und Männer umgekehrt von Frauen lernen?
Frauen können von Männern den Vorratsgedanken lernen. Ein Mann kann anscheinend in der Sekunde entscheiden, dass dieses Stück wichtig für ihn ist, „also brauch ich’s drei Mal“. Eine Frau schaut erstmal „brauch ich’s wirklich“ und dann wird’s ein Lieblingsstück und dann ist es nicht mehr verfügbar, wenn ich’s nochmal nachkaufen will. Da sind Männer Sicherheitsdenker und das ist manchmal nicht schlecht. Männer können umgekehrt von Frauen das Aufgeräumtsein lernen. In späteren Jahren ist es wichtig, manierlich auszuschauen. Was in der Jugend oft verwegen ausschaut, schaut im Alter oft nur noch schludrig aus. Das kommt bei Frauen weniger oft vor.
Worin sollte man auf jeden Fall investieren, wenn es um die Garderobe geht?
In die Überlegung, dass man sich über die Jahre auch einen Stil aneignet und nicht den modischen Erscheinungen hinterherhoppelt. Weil wenn du einen Stil für dich gefunden hast, dann bist du immer auf der sicheren Seite. Man muss halt ungefähr wissen, was einem steht. Es gibt so tolle Dinger, die einem überhaupt nicht passen – und umgekehrt. Da sollte man sich mit der Zeit so langsam eintunen in einen Stil und sich modisch Kleinigkeiten dazuholen, aber die Basis sollte dann definiert sein von den Proportionen und deinem Auftritt. Also nicht dem Diktat der Mode ausgeliefert sein!
Meine Empfehlung, um den Kleiderkauf nachhaltig und mit gutem Gewissen zu gestalten:
Ich muss sagen, vorsätzliche Nachhaltigkeit finde ich immer ein bissl peinlich, weil’s nach Öko riecht. Man hat schon ein Grundgefühl, wie man nachhaltig agieren kann. Da braucht man keinen großen Ökostempel drauf, sondern das sind einfach Überlegungen, dass man vielleicht sogar einmal sein Lieblingsteil stopft oder wegbringt um es reparieren zu lassen und nicht diesen ewigen Schwall von Neueinkäufen von Dingen. Das finde ich fast unmoralisch.
Ein unterschätztes Kleidungsstück für mich:
Ich finde Kopfbedeckungen unterbewertet. Sie werden meistens als Firlefanz oder als übertriebener Faschingsgag aufgefasst, aber wenn du mit einer Kopfbedeckung arbeitest, kannst du ein ganzes Outfit noch stark beeinflussen.
Diesen Prominenten empfehle ich als Stil-Vorbild:
Ich muss schon sagen, Leute wie Iris Apfel finde ich total toll, die wirklich im Alter drauf pfeifen und alles Billige und Teure zusammenmixen und es schaut immer cool aus. Weil warum soll man sich in Schlamm kleiden, auch wenn das andere lächerlich finden.
Was ich in meinem Leben über Mode gelernt habe zusammengefasst in einem Satz:
Das könnte jetzt ein totaler Klischeesatz sein, den ich schon von meiner Mutter gehört habe – und wahrscheinlich ganz viele: Dass alles wiederkommt. Es gibt nichts, was wir nicht schon kennen. Auch wenn es die Youngsters als ganz neues Programm sehen, wir haben’s alles schon erlebt. Und abgesehen davon: Dass Mode letztendlich auch nur Textil bleibt. Man darf’s nicht überbewerten, aber es ist wahnsinnig spannend sich damit zu beschäftigen. Wenn man davon ausgeht, dass das Textile die zweite Haut ist, das Wohnen die dritte Haut, dann sind mir beide Dinge fast schon gleichwertig wichtig. Die vierte Haut ist dann draußen. Aber die Kleidung und das Wohnen kann man für sich aktiv gestalten und wenn man mit sich im Reinen ist, dann hat man für sich auch ein Programm entwickelt, wie du wohnst und wie du dich kleidest. Das macht dann auch den Stil einer Person aus, die Selbstsicherheit. Mit dem Alter kommt da eine Souveränität, die man als 18jährige sehr selten hat.
Rosen überall, die Taille im Mittelpunkt, ein Spaziergang zwischen Tracht und Ewigkeit – der unverkennbare Look von Susanne Bisovsky. Stücke aus ihren Kollektionen erhältlich bei SEIDL in Anger und Graz.
Background:
Susanne Bisovksy ist 1968 in Oberösterreich geboren und hat fortan aus der Mode geschöpft: als Schülerin von Jean-Charles de Castelbajac, der sie gleich in sein Atelier in Paris mitnahm, dann unter der Anleitung von Vivienne Westwood und Helmut Lang, für den Bisovsky ihre später berühmten Latex-Kleider entwarf. Eines davon wurde 2017 schließlich im MoMA in New York ausgestellt. Susanne entwarf über viele Jahre Dirndl für Sportalm und erfüllte Aufträge von Augarten Porzellan oder Swarovski. 2010 stattete sie den Österreich-Pavillon auf der Expo in Shanghai aus, 2017 erschuf sie die Kostüme für „Il Franco Cacciatore“ an der Mailänder Scala. Ihrer Kreativität setzt sie keine Grenzen – und andere würden sich das sowieso nie trauen.
Illustration: ofatomsandlines
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